Morgen geht es los nach Bornholm und damit beginnt unser Abenteuer so richtig. Nachdem wir drei Tage in Sassnitz auf ein günstiges Wetterfenster gehofft haben, sind wir schon in freudiger Erwartung auf die Überfahrt.
Aber von Anfang an: Letzten Freitag brachen wir morgens mit der ersten Brückenöffnung von unserem diesjährigen Heimathafen in Ueckermünde auf. Wir hatten uns oft ausgemalt, wie es wäre, abzulegen und endlich wirklich unterwegs zu sein. Interessanterweise war das vorherrschende Gefühl beglückende Normalität. Es war das lang ersehnte Lossegeln, aber wir fühlten uns angekommen. Wie immer unter Segeln. Nur der kurze Wortwechsel mit dem Brückenmeister brachte etwas verwegenes Aufbruchsgefühl. Er wollte uns warnen, dass die Brücke in der erwarteten Mittagshitze nicht öffnen würde und rief: „Moin, wann wollt ihr denn zurück?“ Miriams Antwort lautete freudestrahlend: „In etwa drei Monaten!“
Vor der Ueckermündung sahen wir schon, dass das Stettiner Haff aufgewühlter war, als wir erwartet hatten. Wir setzten daher noch in der Kanalausfahrt das Großsegel, um uns bei dem Wellengang den Weg auf das Vorschiff zu ersparen. Wir kreuzten den Vormittag über gegen Westen und gegen die Zeit, denn wir hatten das Ziel, zur Brückenöffnung um 12:45 Uhr an der Zecheriner Brücke zu sein. Für das letzte Stück mussten wir den Außenborder zu Hilfe nehmen, da der Wind exakt aus Richtung der sehr engen Fahrrinne kam. Wir umfuhren die beeindruckenden Reste der Hubbrücke Karnin und erreichten gerade rechtzeitig die Zecheriner Brücke. Die Brücke passierten wir im Pulk mit mehren Seglern, wie meistens mit unserem schwachen Motor in gemächlicher Fahrt als letztes Boot. Da der Wind mittlerweile gedreht hatte, mussten wir weiterhin kreuzen und erreichten gegen Nachmittag unseren ersten Hafen im beschaulichen Lassan. In unserem Hafenführer lasen wir, hier sei die Zeit scheinbar um die Jahrhundertwende stehen geblieben. Während wir durch die stillen Gassen wanderten, waren wir uns nicht mehr sicher, an welche Jahrhundertwende die Autoren dabei wohl gedacht hatten. Zwischen den niedrigen, bunten Häuserreihen wirkten die parkenden Autos wie Zeitreisende aus ferner Zukunft.
Am nächsten Morgen ging es auf nach Wolgast zur nächsten Hebebrücke. Es war herrliches Segelwetter und wir mussten nur durch einen kurzen engen Teil des Fahrwasseres motoren. Diesmal waren wir so früh aufgebrochen, dass wir in Wolgast vor der Brücke noch Zeit zum Festmachen und Brötchen essen hatten.
Hinter der Brücke setzten wir Segel mit Kurs auf Kröslin, ein modernes, großes (und teures) Yachtressort mit begeisterungswürdigen Sanitäranlagen und Duschen. Der Hafen brummt, aber die Stadt ist ein eher untouristisches Wohngebiet ohne klar erkennbares Zentrum. Bezeichnenderweise hat uns der Friedhof in der Stadt am besten gefallen: Eingezäunt statt eingemauert lagen vereinzelte alte und neue Gräber unter alten Eichen und Linden, in denen die Bienen summten.
Der letzte Teil unserer ersten Etappe führte uns nach Sassnitz auf Rügen. Hier lag Luzie letzten Sommer, bis uns die Herbstwinde zu rau wurden und Richtung Festland trieben. Die Wettervorhersage versprach uns für die Überfahrt einen angenehmen Halbwindkurs. Die Realität war abwechslungsreicher und bot uns zeitweise Flaute, zeitweise ordentlich Wind mit starken Böen. Gegen 17 Uhr legten wir mit heftigem Gegenwind im Stadthafen Sassnitz an.
Die folgenden zwei Tage blieb Luzie vertäut im Hafen, da kräftiger Westwind wenig Anreiz zur Überfahrt nach Bornholm bot. Letzten Sommer waren wir nur zum Segeln und Basteln am Boot nach Sassnitz gefahren und kannten deshalb bisher nur den Hafen und den Bahnhof. Endlich hatten wir Zeit, auch die Umgebung auszukundschaften.
Gestern wanderten wir in den Jasmunder Nationalpark und bewunderten die Kreidefelsen von oben. Für den zweiten Hafentag hatten wir uns das U-Boot-Museum und die Sassnitzer Altstadt vorgenommen. Daraus wurde dann doch nichts, weil es an Bord so gemütlich war und wir uns beide – schon wieder – in Boot-Verschönerungs-Projekte vertieften. Christian erneuerte den halben Seezaun. Der obere Draht war spröde geworden und die vom Voreigner angebrachten Klebebänder lösten sich in unansehnlichen Fetzen. Nun ziert ein neues, gut gespanntes Dynema-Seil unser Boot. Miriam optimierte die Kombüsenschränke, ordnete die Ablagen im Salon und bereitete Reissalat für die Überfahrt vor. Wir gönnten uns die erste Waschmaschine – für 8 Euro – und behängten das ganze Boot mit Wäsche. Obwohl der Wind heute kalt und die Sonne kaum spürbar war, trocknete alles schnell. Zum Abschluss gönnten wir uns ein leckeres Abendessen im „La bella vita“. Morgen wollen wir in aller Frühe nach Bornholm aufbrechen.