Am 27.8., dem Tag nach unserer Überfahrt von Estland nach Gotland, brachen wir gegen 10 Uhr auf. Miriam drehte noch einige Kreise im fast leeren Hafenbecken von Fårösund und übte längsseitiges Anlegen. Es wurde ein herrlicher Segeltag. Wir setzten gegen 12:30 Uhr unseren Spinnaker und rauschten mit 5 Knoten Fahrt die Küste Gotlands entlang. Als wir 7 Knoten erreichten und der Spibaum sich unter dem Druck zu biegen begann, bargen wir das Segel schnell wieder. Auch mit Groß und Genua konnten wir noch fast die umgerechnet etwa 12 km/h Höchstgeschwindigkeit beibehalten. Um 16 Uhr erreichten wir unseren Zielhafen Lickershamn. Im Hafenbecken lagen eine Motoryacht und ein paar Segelboote und einige Kinder planschten fröhlich im Wasser. Um den Hafen herum stehen viele kleine Holzhäuschen, die den Fischern während der Saison als Unterkunft dienen.

Wir wanderten zur nächsten Sehenswürdigkeit, der höchsten Kalksteinsäule Gotlands. Die „Jungfrun“ ragt 7 Meter über den Boden und 23 Meter über den Meeresspiegel. Wir genossen die herrliche Aussicht über den Hafen und das glitzernde Wasser und wanderten im Abendlicht durch den schönen Kiefernwald zurück zu Luzie. Während sich allmählich die Dämmerung über die Bucht senkte grillten wir am steinigen Ufer neben dem Hafen. Alles wirkte friedlich und still, bis wir auf Luzie ankamen. Auf unserem Nachbarschiff wohnten zwei Finnische Paare mittleren Alters und die Herren machten Jagd auf die Bordspinnen. Wir waren uns alle einig, dass in dieser Nacht wieder außerordentlich große und viele Spinnen unterwegs waren. Unsere Nachbarn hatten einen Giftspray dabei. Sobald sie eine Spinne entdeckten, brach große Aufregung aus, dann folgte ein gut hörbares „zssschhhhh zschhhhh“ und kurz darauf wurde der Genugtuung oder Enttäuschung Luft gemacht, wenn das arme Tier getroffen oder entkommen war. Miriam gruselte sich sehr, denn was ist noch fieser, als eine große Spinne? Eine große, tote Spinne, genau. Und die Tierchen zu vergiften ist sowieso absolut oberfies. Wir verzogen uns unter Deck und schlossen die Luken. Wir haben mit unseren Bordspinnen seit Reisebeginn eine Abmachung, die das Zusammenleben erträglich macht: Wenn sie nachts ihre Netze spannen, umrunden wir sie sorgfältig und lassen sie in Frieden, dafür gehören Salon und Schlafkoje uns und wer sich tagsüber im Cockpit zeigt, muss damit rechnen, über Bord zu fliegen. Letzteres ist natürlich auch oberfies, aber für die Konzentration beim Segeln – und damit die Sicherheit aller – leider schon manches Mal unausweichlich gewesen.

Von Lickershamn brachen wir morgens bei strahlend blauem Himmel nach Visby auf. Wie am Vortag blies ein kräftiger ablandiger Wind. Wir hatten Großsegel und Genua gerefft und trotzdem schnitt Luzie zeitweise mit über 30 Grad Krängung durchs Wasser. Die Kombination aus starkem Wind und wenig Welle war berauschend. Mittags waren wir bereits angekommen und lagen am Steg vor der belebten Hafenpromenade von Gotlands Hauptstadt. Es ist ein wunderbares Gefühl, mit dem eigenen Zuhause mitten in einer neuen Stadt einzuziehen und einfach los schlendern zu können. Wir ließen uns bis abends durch die Straßen treiben und waren an jeder Ecke aufs Neue entzückt. Visby hat wunderschöne alte Häuser, kleine Gassen, bezaubernde Plätze, eine beeindruckende Stadtmauer und viele tolle Kirchenruinen, die man nach Herzenslust durchstreifen und erkunden darf.

Wir beschlossen, noch zwei weitere Tage hier zu bleiben. Der Wind stand ohnehin ungünstig und war für unseren Geschmack zu kräftig, um nach Öland überzusetzen. Gestern haben wir uns einer Stadtführung angeschlossen. Der eingewanderte Engländer erzählte mit viel Hingabe und Begeisterung von seiner Wahlheimat und hatte allerlei Geschichten aus alter Zeit parat. Nachmittags besichtigten wir noch das Gotlandmuseum. Heute haben wir ausführlich und gemütlich an Deck gefrühstückt und sind dann einmal die Stadtmauern außen entlang gewandert. Wir haben uns ein Stück Kuchen in einem der Cafés am Hafen gegönnt mit Blick auf Luzie und nach einer kleinen Verschnaufpause an Bord ein leckeres Abendessen im Hinterhofgarten eines Pubs. Morgen haben wir wieder eine größere Tagestour vor und wollen auf die Insel Öland übersetzen.