Gestern brachen wir morgens vom wenig spektakulären Sandhamn auf, wo wir unsere Luzie geradeso längsseits zwischen zwei Boote an den Steg hatten klemmen können. An den zwei Tagen zuvor hatten wir jeweils eine Mittagspause an SXK-Bojen eingelegt und den mittäglichen Zwischenstopp inzwischen lieb gewonnen. Gegen 15 Uhr erreichten wir das Hafenstädtchen Kristianopel und beschlossen, uns im Hafen-Café eine Pause im Schatten bei Kaffee und Kuchen zu gönnen. Eine Stunde später legten wir wieder ab. Letztes Jahr hätten wir ein so „unnötiges“ Hafenmanöver eher vermieden – zu stressig. Inzwischen haben wir ausreichend Routine, um einen solchen Abstecher genießen zu können.
Später war der Wind günstig für einen erneuten Spinnaker-Versuch. Diesmal klappte es. Es ist beeindruckend, wie das riesige Tuch als geknäulte Säule aus dem Seesack zur Mastspitze steigt, Wind fängt und sich knisternd auffaltet, um im nächsten Moment wie ein riesiger Winddrache vor dem Boot zu stehen. Unser Spinnaker ist wahrscheinlich noch ein Original-Vega-Segel, jedenfalls wirkt er äußerst schwedisch mit seinen gelben und blauen Streifen und wir freuten uns über diesen enormen, weithin sichtbaren Schweden-Fan-Wimpel. Ein kleiner Winddreher oder Fahrfehler kann das Segel zum Einfallen bringen und wenn es sich dabei unglücklich verheddert, kann der feine Stoff reißen. Das Steuern und Trimmen des Segels forderte daher unsere ganze Aufmerksamkeit und trotz der Freude über seine Schönheit und die schnellere Fahrt waren wir erleichtert, als wir das Segel wieder sicher geborgen hatten.
Abends ließen wir den Anker gegen 20:45 Uhr in einer Bucht in der Nähe von Bergkvara fallen. Die Ankerleine führten wir nach vorne an den Bug. So dreht sich das Boot in den Wind und im Cockpit sitzt man geschützter. Weiter entfernt sahen wir einige Häuser und eine Mastspitze, aber die Bucht hatten wir für uns. Es fühlte sich eigenartig an, als einziges Boot mitten auf dem Wasser zwischen Felsen zu liegen. Einige der Felsen waren für unseren Geschmack außerdem etwas zu nah. Nachdem wir einige Zeit beobachteten hatten, wie Luzie um die Ankerleine trieb, ohne dass die Felsen gefährlich nahe gekommen wären, beschlossen wir, schlafen zu gehen. Die Geräte ließen wir montiert, warme Kleidung griffbereit, den Salon soweit möglich segelklar. Falls der Anker nicht halten sollte, wären wir bereit zum Ablegen. Wir stellten uns zur Beruhigung mehrere Wecker für die Nacht, um nach dem Rechten zu sehen: Blick nach draußen, GPS-Position auf dem Plotter prüfen, Peilung am Bordkompass ablesen (Wind aus Süd-Ost war gemeldet) und wieder ins Bett schlüpfen. Unser Ankerplatz war nicht optimal gewählt, wie wir bald an den zunehmenden Wellen merkten. Nervös lauschten wir auf jedes Geräusch, das Schlagen der Wellen und Knarzen der Ankerleine, und fielen nur vorübergehend in leichten Schlaf. Christian übernahm das Aufstehen in den ersten Schichten und bewunderte dabei einen riesig wirkenden, orangen Mond und einen klaren Sternenhimmel. Miriam stand für die Frühschichten auf, sah durch dichten Morgennebel die Sonne aufgehen und entdeckte später eine schwimmende Robbe. Und dann mehrere Robben auf den nahen Felsen. Vor Begeisterung hellwach hüpfte sie barfuß über das taunasse Boot und versuchte, die zauberhafte Morgenstimmung in Fotos festzuhalten.