Für heute hatten wir uns vorgenommen, nach Bornholm zu segeln. Wir sind dafür um 5:15 Uhr aufgestanden. Der ganze Hafen schien noch zu schlafen. Regen und Kälte hätten auch uns fast wieder zurück in die gemütliche Koje getrieben. Aber eingepackt in die schwere Regenkleidung spürt man so ein bisschen Nässe ja kaum. Der Wetterbericht versprach Wind der Stärke 5 (frische Brise) bis 6 (starker Wind) aus für uns optimaler Richtung, um die Überfahrt in etwa 10 Stunden zu schaffen. Böen waren nur in einem der Windmodelle bis Stärke 7 (steifer Wind) gemeldet, was unsere selbst gesetzte Windstärkenobergrenze ist. Wellen bis zwei Meter Höhe waren angekündigt. Das hatten wir noch nicht erlebt und wir waren etwas skeptisch, wie es uns damit gehen würde. Aber wir fühlten uns vorbereitet für die Fahrt, hatten Essen vorgekocht und heißen Tee. Es stand ein vollkommener Regenbogen über der Hafenausfahrt. Unsere Abenteuerlust siegte.
In der Erwartung, dass uns vor dem Leuchtturm von Sassnitz Wellen und Wind empfangen würden, setzten wir noch im Schutz der Hafenmauer das Großsegel und refften es direkt auf etwa die halbe Segelfläche. Statt Abenteuer begann unsere Überfahrt jedoch als gemütliche Ausflugsfahrt entlang der Kreidefelsen auf fast glatter See. Zeitweise mussten wir sogar den Außenbordmotor anmachen, um nicht stehen zu bleiben. Das Großsegel ließen wir vorsichtshalber trotzdem klein und waren kurz darauf froh: Kaum hatten wir die Abschattung der Küste verlassen, erwischte uns das vorhergesagte Wetter. Luzie pflügte über lang gezogene, beeindruckende Wellenberge. Talwärts surften wir schnell, aufwärts verloren wir Schwung. Im Mittel machten wir nicht so gute Fahrt, wie erhofft. Die immer wieder heftig seitlich einfallenden Böen brachten unser Boot so weit in Schräglage, dass die Unterkante des Vorsegels durchs Wasser zog. Vom Regen war alles an Deck nass und rutschig. Unter diesen Bedingungen steuert man ständig gegen den starken Druck in den Segeln, muss die Wellenbewegungen ausgleichen und sich zugleich mit beiden Beinen gegen die Schräglage des Bootes stemmen. Das ist sportlich und sehr spaßig für einige Zeit, aber eine eher anstrengende und unerfreuliche Aussicht für mindestens 10 Stunden.
Bei der zweiten über das Cockpit spritzenden Welle rief Christian: „Ich würde sagen, wir kehren um. So wird das doch keinen Spaß machen, oder?“ Wir waren uns einig: „Klar machen zur Wende.“ Schon die Wende machte keinen Spaß, so groß war der Druck in den Segeln. Glücklicherweise waren wir noch nicht weit draußen und deshalb bald wieder zurück in der Abschattung vor der Küste. Kreidefelsen von der anderen Seite, eitler Sonnenschein und sanfter Seegang begleiteten unsere Rückfahrt nach Sassnitz.
Wir waren enttäuscht, nach drei Stunden Kreidefelsen-gucken und kurzer Wellen-Spritztour wieder in Sassnitz einzulaufen, statt Bornholm entgegen zu segeln, wie wir es uns vorgenommen hatten. Aber wir hatten uns auch vorgenommen, Sicherheit vorgehen zu lassen und im Zweifel lieber Urlaubsgefühle als Überlebenskampf zu erleben.
Inzwischen ist es 14 Uhr. Steg-Nachbarn haben uns zu einen Kaffee auf ihr Boot eingeladen, was sich zu einem netten zweiten Frühstück ausdehnte. Wir haben ein bisschen aufgeräumt, gelesen und ein Nickerchen gehalten. Gleich gehen wir durch die Altstadt von Sassnitz bummeln… Bornholm muss warten, aber das Urlaubmachen klappt.